ÜBER DAS BÖSE UND SEINEN SINN
Die Fragen nach dem Bösen und nach einem Sinn im Leben gehören zu den grundlegenden in der Menschheitsgeschichte. Beide zusammengenommen ergeben eine explosive Mischung.
Hier erfahren Sie mehr über
- Glückseligkeit
- Selbstgenügsamkeit
- Selbstbefreiung
Text MoonHee Fischer

Dr. Moon Hee Fischer, Philosophin und Kolumnistin, verbindet philosophisches Denken und spirituell gelebtes Gewahrsein u.a. in ihrem Buch „Wir erleben mehr, als wir begreifen“. Seit vielen Jahren begleitet sie Menschen in Lebensfragen und -themen in ihrer philosophisch-spirituellen Praxis in München.
Kann das Böse Sinn machen? Diese Idee scheint in sich schon widersprüchlich zu sein, da die Frage nach einem Sinn die Annahme des Guten voraussetzt. Der Mensch sucht oder strebt nach dem Sinn des Lebens, weil er glücklich sein will.
Also könnte die Frage auch folgendermaßen lauten: Kann das Böse glücklich machen?
Wohl eher nicht.
Interessanterweise würden wir auf die Frage, ob das Böse im Leben einen Sinn macht, ein Ja durchweg befürworten.

Die Antagonisten: Selbstgenügsamkeit und das Böse
Die antiken griechischen Philosophen beantworteten die Frage nach dem Sinn des Lebens mit dem Begriff der Eudaimonia. Die Eudaimonia, das Glück oder die Glückseligkeit, wird durch einen tugendhaften Lebenswandel erreicht.
Grundvoraussetzung dafür ist die Autarkie, die Selbstgenügsamkeit.
In den Religionen ist die Selbstgenügsamkeit Dreh- und Angelpunkt und das Fundament gegen das Böse. Genauer gesagt sind Selbstgenügsamkeit und das Böse Antagonisten. Wo das eine ist, kann das andere nicht sein. Demnach ist das Böse ontologisch nicht real, d. h., ihm selbst kommt kein eigenständiges Sein zu, sondern es ist MENSCHENGEMACHT.

Warum hält die Menschheit am Bösen fest?
Das Böse ist nicht etwas, was in der Matrix des Universums eingeschrieben ist, mit dem wir uns abfinden und das wir bekämpfen müssten – es existiert nicht per se, sondern nur, insofern der Mensch noch nicht bereit ist, für sein Handeln und Tun, und somit für sein Glück, die volle und ganze Verantwortung zu übernehmen.
Paradoxerweise liegt die größte Angst des Menschen im Glücklichsein, obwohl er sich sein Leben lang danach sehnt.
Die Menschheit hält noch geschlossen an dem Bösen fest, da es viel leichter ist, sich klein, ungenügend und ungeliebt als groß, stark und glücklich zu fühlen.
Es ist einfacher, das Schlechte zu sehen, als an dem Guten und Schönen festzuhalten, auch wenn es nicht immer zu sehen ist.
Wir verstecken uns hinter dem Bösen und benutzen es für unsere Ängste, gefühlten Unzulänglichkeiten und vor allem für unsere Bequemlichkeit.
Glauben Sie an das Gute?
Der Glaube an das absolute Gute würde tiefgreifende Konsequenzen nach sich ziehen: eine erwachte Menschheit, die nicht nur von Freiheit und Frieden spricht, sondern sie wahrhaftig lebt. Will der Mensch das Böse bezwingen, so muss er sich selbst bezwingen. Der einzige sinnvolle Weg zur Selbstmeisterung und Selbstbefreiung ist, auf Trennung und Wertung zu verzichten.
Erst wenn der Mensch von dem Gedanken eines sinnvollen Bösen ablässt, wird er wahres Glück erfahren.
Denn nur das Gute bringt Gutes hervor – und wollen wir das Gute, so müssen wir es tun.
Das PURPOSE-Magazin bedankt sich für diese Leseprobe. Weitere Fragen und MoonHee Fischers Antworten darauf werden folgen.
Fotos: Unsplash / Teslariu Mihai, Luis Georg Muller, Tom Frances Palattao



