Pop-Art Comic mit Banane als Waffe.

DIE WECHSELJAHRE DES MANNES

Zwischen 25 und 65 büßt der Mann 50 Prozent seiner Testosteron-Produktion ein. Plötzlich ist er nicht mehr Beststück-gesteuert, sondern entdeckt die unendlichen Tiefen seines Hirns. Doch diese Transformation des Mannes ist wenig erforscht. Wie steht es um die Wechseljahre bei Männern?

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Text Gerd Giesler

Gerd Giesler

Gerd Giesler ist Kommunikationsprofi und Inhaber der Agentur Journal International The Home of Content. Er schreibt über Lebensweisheiten und packt auch mal ein Tabu-Thema mit einem Augenzwinkern an.

Kürzlich haben meine Frau und ich ein befreundetes Paar in Berlin besucht.
Und zum wiederholten Male beobachtete ich Erstaunliches: der Sonntagsspaziergang zu viert an der Spree uferte urplötzlich aus in einem akustisch abgeschotteten Alleingang beider Damen, eingeleitet mit dem an meine Frau gerichteten Satz: „Du, ich muss dich da mal was fragen.“

Irgendwann dämmerte es mir. Die Freundinnen, die ein ähnlich auffälliges Verhalten an den Tag legten, hatten alle gut und gerne die 40 überschritten. Und meine Frau ist Gynäkologin.

Abgesehen davon, dass ich in meinem harten Kern an Freunden keinen Urologen habe, könnte ich mir den umgekehrten Fall, also die Hosen bei einem Bier in der Kneipe so herunter zu lassen, selbst bei hohem Leidensdruck nur schwerlich vorstellen.

Wir Männer der Generation Ü 50 haben doch dieses klassisch tradierte Heldenbild quasi mit der Muttermilch aufgesogen.

Bilder, die nie aussterben, wie etwa jenes vom Überflieger Tom Cruise, von Draufgänger Bruce Willis, oder 007-Coolcat Daniel Craig. Oder der smarte Clooney, der wie die Flugkapitäne mit den grauen Schläfen und der Whiskey-Stimme erst ab Mitte 40, gerade bei der ganz jungen Damenwelt, so richtig hoch in Kurs kam. Wir leben in einer Zeit, in der das Alter doch scheinbar keine Rolle spielt, weil Toleranz gefragt ist und schier unendlich viele Lebensentwürfe gesellschaftsfähig geworden sind.

Pop Art Comic mit verzweifeltem Mann.

WECHSELJAHRE BEIM MANN – GIBT ES DAS?

Jeder von uns Kerlen hat ein Alter, in dem er ganz er selbst ist, in sich ruht, im Schaffensdrang seiner Fähigkeiten und Talente, mittendrin im wahren Leben, im Zenit seiner schicksalhaften Bestimmung. Tschakka. Wir sind Cave Men, jeden Tag bereit, das Mammut zu erlegen. Da ist einfach kein Platz für Hitzewallungen.
Wechelsjahre? Das ist doch ausschließlich ein Frauenthema. Wir Männer leiden höchstens an Burnout, wenn uns in unserem Manager-Dasein der Allerwerteste auf Grundeis geht, wir versinken wie die Titanic in den Tiefen der Midlife-Crisis. Oder sind es etwa doch die Hormone, die uns ins Schwanken bringen?

DIE MIDLIFE CRISIS BEIM MANN

Denn eines schönen Tages zwischen Kundenpräsentation und Tennis Match passiert es dann doch. Die magische Schwelle ist urplötzlich überschritten und es hat zoom gemacht. Deine innere Stimme flüstert dir ins Ohr, dass die Zeit, die hinter dir liegt, höchstwahrscheinlich länger ist als das, was da noch so kommt. Trotz gestiegener Lebenserwartung der Spezies Mann. Trotz Führungskräfte-Check-up und Proteinshakes. Im Tennis-Doppel schmierst du dann gnadenlos ab. Du fragst dich: habe ich die Anzeichen übersehen? Warum fällt mir das nur so auf die Schultern?

WIE ERKENNT MANN, DASS ER ÄLTER WIRD?
12 untrügliche Anzeichen, dass Mann garantiert auf die Andropause, die Wechseljahre das Mannes, zusteuert. Wenn mindestens 4 davon auch auf Sie zutreffen, sollten Sie unbedingt weiterlesen.

1. Der Midlife-Mann fährt den Tank nicht mehr auf Null.
2. Vom Coach-Potato mutiert er allmählich zum Marathon-Man.
3. Statt Spiegel Online liest er plötzlich Platon.
4. Er kauft knappe Shirts, um den trainierten Bizeps zu zeigen.
5. Morgens um 5 wacht er schweißgebadet auf – aber um 9 im Büro markiert er schon wieder den coolen Macker.
6. Er postet auf Instagram täglich Fotos von sich, #lifeisgrand #newlifenow
7. Nach 20 Ehejahren muss eine Neue her, die kaum älter ist als seine Tochter.
8. Die Familienkutsche wird gegen den PS-starken Zweisitzer eingetauscht.
9. Er kauft beim Drogeriemarkt klammheimlich Anti-Faltencreme – natürlich nur um beim Teams-Call den Hangover zu vertuschen.
10. Statt Malle steht der Jakobsweg auf der Urlaubsplanung.
11. Rückwärts einparken wird langsam zum Problem.
12. Wie hieß der oder die gleich wieder? Das Namensgedächtnis leidet.

WAS ÄNDERT SICH BEIM MANN AB 50?

Die Ziele gehen einfach langsam aus: die Karriereleiter ist erklommen, die Familienplanung Schnee von gestern, das Haus abbezahlt, der Baum gepflanzt.
Stattdessen gilt es, die alten Eltern zu pflegen oder zu betrauern, das Kinderzimmer umzufunktionieren, vom Familienvater wieder in die Rolle des Mannes zu schlüpfen, die Partnerin oder den Partner kritisch zu hinterfragen, nicht kürzer treten zu wollen, trotz sich ankündigender Verschleißerscheinungen und von unerfüllten Wünschen zu träumen wie dem Rustico in der Toskana oder der Farm in Afrika.

Im Prinzip durchlaufen wir in der Mitte des Lebens noch einmal die Pubertät. Nur in anderer Richtung. Wie gesagt, es ist der verdammte Testosteronspiegel. Allerdings schwindet das männliche Sexualhormon nicht so dahin, wie das Östrogen bei den Frauen. Es entsteht nur ein Defizit. Aber das macht bis zu 10 Prozent aller Männer zu schaffen.
Doch Vorsorgeuntersuchungen sind für die meisten Männer ein Greul und der Leidensdruck muss schon immens hoch sein, um freiwillig zum Arzt oder Therapeuten zu gehen.

WENN DAS TESTOSTERON SCHWINDET

Testosteron ist das wichtigste männliche Geschlechtshormon und es beeinflusst das emotionale wie körperliche Befinden. Depression und Hypogonadismus, also ein Defizit der Hoden, dem heiligen Gral der Testosteronproduktion, treten beim reiferen Mann häufig gemeinsam auf. Das hat Michael Zitzmann, Hochschullehrer für Endokrinologie am Universitätsklinikum Münster herausgefunden.

In seiner jüngsten Studie beschreibt der Professor akribisch alle möglichen Symptome, die mit dem Rückgang des Testosteron-Spiegels einhergehen. Ein konstant niedriger T-Spiegel unter 12,1 nmol/l kann viszerales Übergewicht, Muskelschwund, Typ 2-Diabetes, Osteoporose, verminderte Libido, erektile Dysfunktion des männlichen Geschlechtsteils, des Weiteren depressive Verstimmung, Antriebslosigkeit, und Müdigkeit bedingen.

Das Problem ist, das Männer diese Symptome selten auf Wechseljahrbeschwerden zurückführen, da sich diese vordergründig meist um Potenzprobleme drehen, die anderen Effekte aber sträflich vernachlässigt werden. Testosteron steht für Manneskraft, richtig. Zu wenig Testosteron – und das wissen längst nicht alle – steht aber auch für sinkende Lebensqualität, psychische Probleme und Störungen bei Denkprozessen bis hin zu mangelndem räumlichen Vorstellungsvermögen, was sich z.B. beim Lesen von Landkarten bemerkbar macht oder beim rückwärts ausparken.

Professor Zitzmann kommt zu folgender Schlussfolgerung: „Testosteronmangel ist ein ernst zu nehmendes psychiatrisches Gesundheitsrisiko.“
In seiner Studie konnte er nachweisen, dass sich bei Probanden, die mit Testosterongaben in Form von Gel behandelt wurden, Depressionen und Angstzustände gegenüber Placebo-Behandelten mildern ließen. Die Lebensqualität stieg wieder deutlich an.

LEBENSMITTE – PARADIGMENWECHSEL

Welch unsicheres Terrain der Mann um die Lebensmitte betritt, zeigen Statistiken: Die meisten Fälle von Burnout und depressiven Wandlungen treten mit Ende 40 auf, ebenso lassen sich in diesem Alter die meisten Ehepartner scheiden. Während die einen sich in Beziehungskrisen verstricken, ziehen bei anderen die Gewitterwolken im Job auf.
Dabei geht es vor allem um eines: Welchen Sinn hat mein Leben? Hatten wir Männer bis vor kurzem noch Perspektiven, so scheinen diese gerade jetzt für immer verloren. Angstzustände überfallen uns, so klug und taktisch wir bisher das Leben gemeistert haben, so schwer fällt die Lösung, wie es weiter gehen soll.

Es fehlt schlichtweg der Mut. Die wenigsten führen das auch auf den veränderten Hormonhaushalt zurück. Wer nicht in der Lage ist, über Veränderungen im Leben reden zu können oder zu wollen, verliert schnell den Boden unter den Füßen. Es gehört Einsicht dazu, verstärkt an sich und seine Fähigkeiten zu glauben und vielleicht fehlt auch ein gelassenerer Blick auf die zweite Hälfte des Lebens.

Die meisten Nobelpreisträger- und Trägerinnen des 21. Jahrhunderts haben ihre großen Erfolge erst jenseits der 40 gehabt. Warum also soll unter 50 alles Relevante erreicht sein? Die Andropause ist kein K.O.-Kriterium. Vieles spielt sich im Kopf ab. Vielleicht tun wir Männer uns leichter, wenn wir die Lebensmitte als Chance begreifen. Transformation – das große Wort dieses Jahrzehnts, ist auch eine Herausforderung an den Mann. An Körper, Seele und Geist.

Fotos: Shutterstock

 

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