Surreale Landschaft.

DER SCHATZ DER TRÄUME

Träume stellen dem Träumenden eine personalisierte Schatzkiste an Weisheit zur Seite, um das Leben zu meistern. Hier erfahren Sie, wie Sie den Kontakt zu der in Ihnen verborgenen Quelle der Lebensweisheit fördern können.

Hier erfahren Sie mehr über

  • Das Traumerinnern
  • Das Traumnotat
  • Das Gespräch mit dem Traum

Text Brigitte Berger

Paartherapeutin Brigitte Berger

Brigitte Berger ist Erziehungswissenschaftlerin und Paartherapeutin. Sie arbeitet mit Träumen und bietet als ehemalige Dozentin an der vormaligen Bayerischen Akademie für Gesundheit eine Ausbildung zur Traumarbeit für therapeutische Berufe an. Zudem ist sie Mitglied der Martin-Buber-Gesellschaft.

Im Grunde ist es wie in jeder anderen Beziehung: Der Grad der Gegenwärtigkeit schafft die Lebendigkeit. Je mehr Aufmerksamkeit wir den Träumen schenken, desto besser erinnern wir sie, desto lebhafter ist das gestiftete Gespräch.

Das Traumerinnern

Eigens gewählte Traumtagebücher regen die Traumerinnerung an. Es ist, als würden Sie Ihrer Traumerinnerung einen geschützten Rahmen bieten, in dem sie erscheinen kann. Seminarteilnehmern und Seminarteilnehmerinnen, die sich nicht an Ihre Träume erinnern, rate ich, vor dem Schlafengehen die Fenster weit zu öffnen mit der Geste, die Träume einzulassen.

Ich las von dem Ritual eines Mannes, der vor dem Schlafengehen stets ein Glas Wasser in die Toilette gießt und dann spült, um die Verbindung zu seinen Träumen zu pflegen. Es kommt nicht auf die Sinnhaftigkeit der Geste an. Entscheidend ist, dass Sie Ihren Wunsch, den Traum zu erinnern, mit der immer gleichen Handlung verknüpfen.

Lassen Sie unmittelbar vor dem Hinübergleiten in den Schlaf die Frage zu, die Sie zurzeit am meisten beschäftigt, bitten Sie um eine Lösung. Doch bauen Sie keinen Druck auf! Eine freilassende Haltung der Erwartung empfiehlt sich im Umgang mit Träumen, ein weiches, dem Traum geöffnetes Herz. Den Träumen, wie dem „… Wunder leise, wie einem Vogel die Hand hinhalten.“ (Hilde Domin)

Abstrakte Darstellung einer Person.

Das Traumnotat

Den Traum unmittelbar nach dem Erwachen niederzuschreiben, ist die beste Wahl.

Sie können den Kontakt zum Traum länger halten, wenn Sie nach dem Erwachen die Augen noch etwas geschlossen halten und dem Geschehen der Nacht nachsinnen. In dem Moment, in dem Sie die Augen öffnen, schiebt sich die Weltwahrnehmung über den Traum.

Schreiben Sie Ihren Traum auf, ohne viel zu überlegen. Das ist wichtig. Notieren Sie ihn nicht mit Absicht schön oder logisch. Oft ist das Ende des Traumes der Erinnerung am nächsten. Ziehen Sie vorsichtig an diesem Erinnerungsfaden. So reiht sich Bild an Bild aneinander, manchmal auch in umgekehrter Reihenfolge. Sortieren können Sie nachträglich.

Das Aufschreiben des Traumes ist deshalb so wichtig, weil wir durch den Akt des Schreibens den Traum aus uns heraus ins Gegenüber bringen. Der geschriebene Traum sieht den Träumer an, spricht ihn an, stellt ihm Fragen. Diese dialogische Situation ist im bloßen Nachdenken über das Traumgeschehen nur abgeschwächt und störungsanfällig vorhanden. Gedanken sind flüchtig. Das bloße Darüber-Nachdenken kann in der Kürze der Zuwendung die Qualität des Traumes nicht annährend ausschöpfen. Im raschen Hindenken bleiben Sie in einer kognitiven und emotionalen Distanz.

Probieren Sie es aus, Sie werden es merken! Manchmal denke ich auch: „Ach, das ist doch sonnenklar, was der Traum dieser Nacht mir sagen will, das muss ich erst gar nicht niederschreiben.“

Oder umgekehrt: „Das ist ein völliges Durcheinander, blanker Unsinn!“

Oder: „Ich kann mich nur an dies oder jenes Fitzelchen des Traumes erinnern, das lohnt nicht, es aufzuschreiben.“

Irrtum! So ein Irrtum! Mit der Aufmerksamkeit des Schreibens, mit dem Fassen ins Wort, nimmt der Traum der Nacht nochmal Gestalt an. Was war das für eine Stimmung? Wie würden Sie sie beschreiben? War es hell oder dunkel, eng oder weit? Kam eine bestimmte Farbe vor? Ah, ja und da war im Hintergrund doch dieses und von rechts ragte jenes ins Bild …
Sie zeichnen mit den Worten den Traum nach und schauen dadurch genauer hin, gehen ins Detail und spüren in alledem dem Traum und damit sich nach.

In diesem Raum der Aufmerksamkeit steigen Fragen in Ihnen auf. Das Gespräch mit dem Traum beginnt!

  • Frau in weißem Gewand treibt im Wasser.
  • Märchenhaftes Porträt einer Frau.

Das Gespräch mit dem Traum

„Sieh, ich will Dich mit Dir selbst umgeben…“ schreibt Rainer Maria Rilke in einem Liebesgedicht im Sommer 1909 in Paris. Genau das ist es, was geschieht, wenn wir uns den Träumen der Nacht zuwenden.

Bei-Sich-Sein und bleiben

Es macht den Anschein, als sei es der Normalzustand des heutigen Menschen, außer sich zu sein. Wir sind überall unterwegs: in den Weiten des Internets, in virtuellen sozialen Netzwerken, auf Kreuzfahrtschiffen, im All und in den Tiefen des Meeres, nur zuhause bei uns sind wir selten. Der Philosoph Blaise Pascal diagnostizierte bereits Mitte des 17. Jahrhunderts, „dass das ganze Unglück des Menschen von einer einzigen Ursache herstammt: nicht ruhig in einem Zimmer verweilen zu können.“

Das Problem liegt nicht in der technischen Entwicklung, die seither stattgefunden hat, nicht in der Fülle der Informationen, die uns umfluten, das Problem ist auch nicht die Geschwindigkeit oder, dass wir zu viel in die knappe Zeit packen. Das Problem ist der aufgegebene Fokus.
Das, was wir tun, enthält keine in sich ruhende Zeit, in der wir uns erleben und identifizieren könnten. Die Zeit rinnt uns durch die Finger und mit ihr unser Leben. Diesem Phänomen Einhalt gebietend lautet die Einladung eines Lebens mit Träumen: Bei sich sein und bleiben. „Sieh, ich will dich mit dir selbst umgeben …“.

Indem Sie morgens vor jeder Tätigkeit, jedem Blick auf das Smartphone oder in die E-Mails einen Zeitraum öffnen und ihm eine Richtung geben, halten Sie die Zeit an. Ihr Fokus ist auf den Traum gerichtet.
Sie machen nichts und es geschieht viel. An Ihrer Aufmerksamkeit entlang steigen Sie in sich hinab und schauen sich an.

Abstrakte Darstellung einer durchsichtigen Wand in der Landschaft.

Vom Mut, bei sich zu beginnen

Der „naturbelassene“ Traum – im Gegensatz zum luziden Traum – entzieht sich unserem Zugriff. Das macht den Traum zu einem ungetrübten und aufrichtigen Spiegel Ihrer selbst. Nicht, um bei sich zu enden, sondern um bei sich zu beginnen. Sie werden über die Träume hellsichtig und hellhörig, auf sich selbst hin. Was Sie über die Träume erkennen und auch bekennen, legt Ihnen nahe, wahrhaftiger zu sein in Ihrer Beziehung zu sich selbst und zu anderen. Die Selbstreflexion vermittels der Träume provoziert eine Haltung, die ich „chronisch tapfer“ nenne, denn es ist nun nicht mehr so leicht, sich selbst zu übergehen. Gleichzeitig ist es ein Akt des Mutes, sich als der Mensch zu zeigen, der Sie sind.

Erst wenn wir unsere Stärke, wie unsere Verletzlichkeit, all die Ängste, unsere Unzulänglichkeiten, unser Scheitern nicht länger verdrängen, sondern von Herzen als gegeben, unser Leben als Auf-Gabe annehmen können, „lehnt sich von oben Tiefe dir an.“ (Rilke)

Was ist in der Tiefe Ihr Problem?

Lassen Sie sich zu in der ersten Szene des Traumes anfragen: Auf welche Schwierigkeit, welche Dysbalance spielt dieser Traumbeginn an? Was ist gerade in der Tiefe Ihres Herzens Ihr Problem? Was macht das mit Ihnen? Damit wir unsere innere Stolperschwelle deutlich erkennen, spitzt der Traum das Problem in der Anfangsphase zu, um uns schließlich gegen Ende des Traumes zu einer Lösung zu befördern.

Dazu ein Traumbeispiel. Eine Frau mittleren Alters träumt nach einem familiär ereignisreichen und belastenden Tag, dass sie sich in einem Tunnelsystem verfährt. Ihr Mann, mit dem sie zu einem Termin unterwegs ist, steigt aus. Sie kennt sich nun gar nicht mehr aus, gerät immer tiefer ins Tunnelsystem. In einem unterirdischen Parkhaus kommt sie zum Stehen.

Dort will die Träumerin wenden und sieht, dass das Auto mit einer dicken Schneehaube bedeckt ist. Es dauert eine Weile, bis sie die Scheiben mit den Händen freigeräumt hat. In dieser Zeit entdeckt sie ein wunderschönes Jugendstil-Kaufhaus und wundert sich, dass so etwas Schönes sich hier unten befindet. Es dauert noch eine Weile, bis die Träumerin grünes Licht zur Ausfahrt bekommt. Zuhause angekommen ist alles entspannt. Ihr Mann genießt beim Italiener. Der Termin spielt keine Rolle mehr.

Das Verfahren im Tunnelsystem stellt das Problem vor, im emotionalen Stress und Zeitdruck (Termin) in unbewusste Denk- und Handlungsmuster (Tunnelsystem) zu geraten. Ihren Mann beschreibt die Träumerin als gut abgegrenzt und zielgerichtet handelnd; dieser Handlungsaspekt geht ihr bei ihr selbst in der Konfusion verloren. Die Lösung stellt der Traum in der Gestalt des Innehaltens (Parkhaus) und der dadurch möglichen inneren Umkehr vor. Interessant ist, dass das Auto nun dick verschneit ist. Die Emotionen sind durch das Innehalten abgekühlt und zu zauberhaften Sternen (Schnee) gefroren.
Der Traum rät: Innehalten und sich getrost überschneien lassen.

Swimming-Pool mit rotem Wasser.

In der Tiefe Reichtum entdecken

In der Zurücknahme aller Aktivität ist es der Träumerin möglich, in der Tiefe ihrer Not einen unvermuteten Reichtum zu entdecken, der sie an die vielfältigen Ressourcen ihrer Jugend erinnert (Jugendstil-Kaufhaus) und eine Umkehr in die eigene Größe erst möglich macht. Es verlangt noch ein Auf-sich-Beruhen-lassen, um sich wieder „grün zu werden“, heißt aus der Konfusion heraus und wieder bei sich anzukommen. So findet die Träumerin ihre entspannte Handlungskraft wieder, die sich an der südlichen, genüsslichen Seite des Lebens nährt. Die Bedrängnis hat keine Macht mehr über sie – sie spielt keine Rolle.

Tägliche Traumnotate gewähren ein aufrichtiges Bei-Sich-Sein mit dem Resultat, wieder bei uns selbst und den in uns innewohnenden Ressourcen und Potentialen anzukommen. – Träumen Sie mal drüber!
Ich wünsche Ihnen traumerfüllte Nächte und eine schöne Schreibzeit am Morgen.

Fotos: Unsplash / 8machine, Alice Alinari, Caroline Bertolini, Alexander Jawfox

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