Mann sitzt vor seinem PC

Wer kürzer schläft, ist länger tot

Gesunder Schlaf macht nicht nur schlau, er beeinflusst Lebensqualität und Länge entscheidend! Der Salzburger Schlafforscher Manuel Schabus hat eine App gegen Insomnie erfunden, mit der er Schlaflose wachrütteln bzw. zu besserem Schlaf verhelfen will.

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  • Schlafhygiene
  • Schlaf-App sleep2

Text Gerd Giesler

Gerd Giesler

Gerd Giesler ist Kommunikationsprofi und Inhaber der Agentur Journal International The Home of Content sowie leidenschaftlicher Reporter und Autor, z.B. monatlich für PURPOSE.

Donald Trump braucht angeblich kaum Schlaf, Elon Musk kommt mit sechs Stunden aus… Schlafmangel scheint zu einer Art Statussymbol in unserer sich immer schneller drehenden Arbeitswelt geworden zu sein. Wer ganz oben auf der Erfolgsleiter steht hat keine Zeit zum Schlafen! New York ist die Stadt, die niemals schläft — bewundernswert? Eher ein fataler Irrtum. Wer ausgeschlafen ans Tageswerk geht, ist nicht nur teamfähiger, weil weniger gereizt, sondern auch konzentrierter und aufnahmefähiger.
Ja, Schlaf macht schlau, zu wenig dagegen auf Dauer krank. Sterbenskrank.
Mittlerweile gibt es Apps und Wearables, um die Schlafqualität zu verbessern.

FIRMEN-BONI FÜR AUSGESCHLAFENE MITARBEITER

Gesunder Schlaf ist Gold wert, das finden auch immer mehr Unternehmen heraus, die ihren Mitarbeitern Boni zahlen, wenn sie nachweislich mindestens sieben Stunden pro Nacht schlafen. Laut Studien gehen fünf Fehltage auf das Konto von schlechtem Schlaf. Ein immenser volkswirtschaftlicher Schaden!
Anders als die Amerikaner, haben wir Deutschen reichlich vorbildhafte Langschläfer zu bieten. Sogar Denkerfürst Goethe war ein solcher Freak. Regelmäßig mindestens neun Stunden Schlaf pro Nacht mussten es sein. „Ich habe nur zwei Götter“, schrieb er einst an Charlotte von Stein, „Dich und den Schlaf. Ihr heilet alles an mir, was zu heilen ist.“  

Der Weg zu Manuel Schabus führt an einem kalten Winterabend vorbei an edlen Boxspringbetten, kuscheligen Daunenplumeaux und feinster Satinbettwäsche. Im 3. Stock des Münchner Traditions-Schlafspezialisten Bettenrid ist kein Stuhl mehr frei. Wenn es rund um das Thema Schlaf geht wartet Geschäftsführer Robert Waloßek gern mit ungewöhnlichen Ideen auf. Heute bittet er zum Vortrag von Schlafforscher Professor Dr. Manuel Schabus zum provokanten Thema „Wer kürzer schläft, ist länger tot“. Offensichtlich besteht reges Kundeninteresse an den Ausführungen des Neurologen, Psychologen und Leiter des Labors für Schlaf- & Bewusstseinsforschung an der Universität Salzburg. Auch ein Schichtarbeiter ist unter den Zuhörern.

Immer mehr Menschen leiden an Schlafproblemen, Insomnie genannt. In Schlaflabors kann man den Ursachen auf den Grund gehen.

Untersuchung im Schlaflabor
Prof. Dr. Manuel Schabus himself im Schlaflabor

SCHLAF-APP MIT DATEN AUS DEM SCHLAFLABOR

Doch es gibt zu wenige davon. Und die Wartezeiten sind lang. Manche warten schlaflos monatelang auf Abhilfe. Genau hier setzt Manuel Schabus an. Anders als an Kliniken, die sich zumeist nur mit krankhaftem Schlaf – der gefährlichen Apnoe und einigen wenigen Parasomnien befassen, schöpft der Schlafforscher aus einem reichen Datenschatz gesunder Schläfer, vom Baby bis zum Greis, die sein Labor in Salzburg fleißig gesammelt hat. Und solche Daten zur empirischen Grundlagenerforschung des gesunden Schlafs sammelt im deutschsprachigen Raum, mit Ausnahme von Jan Born in Tübingen, fast niemand.

Warum daraus nicht ein Therapieangebot entwickeln, das viele erreichen kann und nach oben immer spitzer wird, so dass nur die ins Schlaflabor kommen, denen anders nicht zu helfen ist. „Am besten wäre es doch, die Leute mit einem gewissen Leidensdruck gleich am Handy abholen, also mit geringster Eingangshürde und dann schauen, dass die Schlafprobleme gar nicht erst chronisch werden.“, dachte der Professor vor drei Jahren und entwickelte mit seinem Team „Nukuua“. Was dahinter steckt erläutert Manuel Schabus im folgenden Interview.

SCHLAFHYGIENE IST DAS A UND O

Es ist spät geworden im Bettenhaus.  Zum Abschluss seines Vortrags gibt Schabus den Bettenrid-Kunden noch seine zehn goldenen Regeln für Schlafhygiene mit auf den Heimweg:
„Kein schweres Abendessen, kein Alkohol oder Koffein, kein Fernsehen, oder Whatsapp im Bett und vor allem eine Schlafstatt, auf die ich mich freue.“
Robert Waloßeks Augen beginnen zu strahlen: „Ein Bett, das gut riecht, bei 18 kühlen Grad, schön abgedunkelt, möglichst ruhig. Und wer nachts aufs Klo muss – bitte kein Licht anmachen, sonst dauert es viel länger wieder in den Schlaf zu finden.“

App für besseres Schlafen

WER GESÜNDER SCHLÄFT, LEBT LÄNGER

Erst als der letzte Gast gegangen ist, stellt sich Prof. Dr. Manuel Schabus den Interview-Fragen.

Herr Schabus, man hatte das Gefühl, das Ihr Vortrag bei vielen etwas ausgelöst hat. Etwas, das sie vielleicht seit geraumer Zeit spüren, aber nicht ausgesprochen haben. Wird Schlaf in der Gesellschaft nicht ernst genommen?

Prof. Dr. Schabus: Zumindest sind sich viele Menschen der Folgen von schlechtem Schlaf oft nicht richtig bewusst. Es hat eine Relevanz für meine Lebenserwartung, wie ich in meinem bisherigen Leben geschlafen habe. Bei Männern, die zu wenig schlafen, sinkt sie im Schnitt um 4,5 Jahre, bei Frauen um 2,5 Jahre.
Der erwachsene Mensch schläft sieben bis neun Stunden. Kinder etwas länger, Rentner etwas weniger. Dabei kommt es nicht nur auf die Schlafenszeit, sondern auch darauf an, dass man möglichst immer zur gleichen Zeit ins Bett geht. Schon eine Abweichung von mehr als 1,5 Stunden kann auf Dauer zu Problemen führen. Dass alle Körperfunktionen sich im Schlaf regenerieren, ist bekannt und gilt besonders für den Kopf. Nachts werden Toxine, also Stoffwechselprodukte, die im Gehirn entstehen, durch Flüssigkeit aus dem Rückenmark regelrecht ausgespült. Sie wachen also jeden Morgen mit einem frischen, neuen Gehirn auf.

  • Wearables zur Schlafmessung
    "Wearables" sind kleine tragbare Computer, z.B. eine Smartwatch, die die Vitalfunktionen messen.
  • Paar schläft nebeneinander und ein Smartphone liegt auf dem Bett

Wieviele Menschen haben überhaupt ein Schlafproblem und woran erkennt man, dass es ernst ist?

In der westlichen Welt leiden zwischen 25 und 30 Prozent an Einschlaf- oder Durchschlafstörungen. Das sind erstaunlich viele. Bei rund 10 Prozent würde man eine chronische Erkrankung diagnostizieren.

Was bedeutet chronisch?

Ab und zu eine schlechte Nacht zu haben, ist völlig normal. Den fehlenden Schlaf holt man dabei in der nächsten Nacht auf. Wenn dies aber mindestens drei Mal die Woche eintritt und länger als einen Monat andauert wird es langsam problematisch, weil man sich nicht mehr erholen kann und der Körper die vielen schlechten Nächte nicht mehr aufholen kann. Bin ich bin tagsüber müde, reizbar und gehe nicht mehr zum Sport, können das Anzeichen einer Insomnie sein.

Apps für Schlafkranke auf Kassenrezept

APPS FÜR SCHLAFKRANKE AUF KASSENREZEPT

Mittlerweile gibt es eine Branche, die sich rühmt, durch digitales Schlaftraining den Schlaf zu verbessern. In Deutschland werden seit 2020 digitale Gesundheitsanwendungen sogar verschrieben. Mittlerweile gibt es 55 Apps auf Rezept. In Österreich hinkt man dem großen Bruder hinterher.

Nun haben Sie im Rahmen Ihrer Forschungstätigkeit eine Schlaf-App namens Nukuuaa erfunden. Ihr Salzburger Startup dringt auch auf den deutschen Markt vor. Ein erster Deal mit der Techniker Krankenkasse wurde abgeschlossen. Was ist das Besondere an dieser Anwendung?

Nukuua steht für Mittagsschläfchen auf Finnisch. Das ist zwar lustig, aber international ein schwieriger Name. Daher haben wir uns zu sleep2 rebrandet.  Es ist die erste App, die präzise Schlafanalyse mit Schlaftraining kombiniert. Das funktioniert mittels Sensoren, die am Oberarm befestigt werden oder dem H10-Brustgurt. Dahinter steckt ein Algorithmus, der an tausend Datensätzen aus den Schlaflaboren der Universität Salzburg trainiert wurde. Indem man sich etwa angesehen hat, wie sich das Herz bei tausend REM-Schlafphasen verhielt, lernte die KI allmählich die Schlafstadien anhand des Herzschlags exakt zu erkennen.

Machen das nicht alle App-basierten Systeme so?

Alle diese Geräte versuchen durch Sensordaten möglichst genaue Werte für die Schlafqualität der betreffenden Person zu ermitteln. Je näher man am Herzen misst, desto genauer sind die Werte. Und dann kommt es natürlich auch auf den verwendeten Algorithmus an. Oft sind das firmeninterne Algorithmen, von denen es keine Information darüber gibt, mit welchen Rohdaten sie gefüttert wurden. Ungenauigkeiten bei der Messung mit einer Varianz von bis zu einer Stunde kann zu völlig falschen Rückmeldungen beim Patienten führen und damit zu falschen Ergebnissen.

Aber auch Nukuuaa alias sleep2 ist kein Wundermittel. Die Messung allein bringt noch keine Verbesserung oder erholsamen Schlaf. Die Interpretation aus den Daten, das Lernen daraus und die Bereitschaft Alltagsgewohnheiten manchmal drastisch zu ändern, spielen die entscheidende Rolle. Man mag über die Schlafhygiene-Rituale schmunzeln, die Schabus den Bettenrid-Kunden ans Herz gelegt hat, aber sie sind das A und O, um den Schlaf langfristig zu verbessern.

Fotos: iStock, Luigi Caputo, NUKKAA

 

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