Zwei Menschen umarmen sich

Wieso fällt es dem Menschen so schwer, sich zu lieben?

Warum misstraut er sich so oft selbst? Hier sind die Antworten aus der vierten Leseprobe des Buchs „Weit weg – Nah dran. Was hätte sein können und was wäre, wenn.“ der interkulturellen und interreligiösen Philosophin MoonHee Fischer.

Hier erfahren Sie mehr über

  • Glauben und Selbstliebe
  • Gefühle und Kontrolle
  • Universelle Liebe

Text MoonHee Fischer

Schwarz-Weiss-Porträt von Dr. Moon Hee Fischer

Dr. Moon Hee Fischer, Philosophin und Kolumnistin, verbindet philosophisches Denken und spirituell gelebtes Gewahrsein u.a. in ihrem Buch „Wir erleben mehr, als wir begreifen“. Seit vielen Jahren begleitet sie Menschen in Lebensfragen und -themen in ihrer philosophisch-spirituellen Praxis in München.

Wieso fällt es dem Menschen so schwer, sich selbst zu lieben?

Weil der Mensch in sich zerrissen ist – in Gut und Böse, in Richtig und Falsch, in Denken und Fühlen, in Geist und Materie –, glaubt er zu wenig an sich selbst. Da aber Glaube Hingabe bedeutet und diese für die Liebe unerlässlich ist, hat der Mensch keine aufrichtige Liebe für sich selbst, und ebendarum auch keine für andere.

Denn ohne Hingabe keine Liebe oder anders gesagt: Wer wenig Glauben hat, der hat auch nur wenig Liebe.

Der zerrissene Mensch stellt das Denken über das Fühlen. Er will wissen, statt glauben. Glauben stellt für ihn eine Sentimentalität oder eine Weltflucht ins Religiöse dar, welches im realen Leben allerdings keinen Bestand hat. Die Realität ist faktisch, objektiv und vernünftig, aber vor allem ist sie materiell. Das, was man greifen oder begreifen kann, ist real – alles andere ist nicht real oder nicht relevant.

In unserer materiellen Weltanschauung lassen wir uns von dem beherrschen, was wir sehen und denken. Wir sind so auf Kopf geeicht, dass wir unsere Gefühle nicht mehr fühlen, sondern denken oder besser noch – erdenken. Die Konsequenz ist Vertrauensverlust bezüglich unserer eigenen Gefühle. Daher ist unser modernes Lebensparadigma Kontrolle.

Kontrolle bedeutet Zwang und Unfreiheit, die paradoxerweise zu unkontrollierbaren Lebensängsten und zu einer latenten Unzufriedenheit führen. Werden wir uns bewusst: Kontrolle steht für nichts anderes als Angst, und dort, wo Angst gegenwärtig ist, ist keine Liebe; – Kontrolle ist Abwesenheit von Liebe.

When you love yourself you find yourself

Was ist ein Leben in Angst oder ohne Liebe?

Liebe ist nur in und durch Freiheit möglich, und Freiheit ist frei von Angst. Was ist ein Leben in Angst oder ohne Liebe? Es ist ein liebloses und unglückliches. Ihm fehlen die Freude und die spontane Lebendigkeit, das, was Leben gerade ausmacht. Will der Mensch wahrhaftig leben und nicht nur überleben, so muss er lieben.

Liebe ist nicht kontrollierbar! Wir müssen verstehen, dass alle unsere Ängste auf den Mangel an Liebe zurückgehen. Wollen wir echte Freiheit erfahren, so müssen wir mutig sein: raus aus der scheinbar sicheren Komfortzone und rein in das wahre Leben! Bedauerlicher- oder glücklicherweise lässt sich die Liebe nur durch Leben verwirklichen. Sinn des Lebens ist l(i)eben. Das will sagen: Wollen wir lieben, dann müssen wir es tun! – Ohne Absicherung und ohne Auffangnetz.

Wir Menschen sehnen uns so sehr nach Liebe, aber noch mehr fürchten wir sie – da sie sich in ihrer Reinheit und Vollkommenheit (Ganzheit) jeglicher Kontrolle entzieht. So zerstückeln wir sie in kleine greifbare Teile, um ihrer habhaft zu werden. Das, was jedoch bleibt, ist ein armseliger, billiger Abklatsch, eine nette, greifbare Konstruktion unseres Kopfes, die mit der wahren Liebe so viel gemeinsam hat, wie der Finger, der auf den Mond zeigt, mit dem Mond.

Kleine Herzen in der Luft

„Liebe fragt nicht …“

Die universelle Liebe, an der alle Wesen teilhaben, ist zu einem stückhaften, individuellen Besitz, zu einem Mein, zu einem Mich und Mir verkommen. Die Folge ist, dass wir nehmen, statt zu geben, geliebt werden wollen, statt zu lieben. Wir denken, dass das große Glück darin liegt, geliebt zu werden.

Die erhoffte Glückseligkeit und aller Frieden liegen aber in der Liebe selbst – im Lieben.

Die Liebe ist kein Mittel zum Zweck – sie fragt nicht: wer, warum oder wann. Sie kennt weder Eigenheit, Teile noch Grenzen. Sie ist kein starres, greifbares Ding, kein ICH – sie ist als WIR Offenheit schlechthin. Und diese braucht Hingabe und Glaube. Nur so ist wahre Begegnung oder Liebe möglich.

Liebe(n) bedeutet Einssein – dort gibt es keinen Platz für zwei.

Das PURPOSE-Magazin bedankt sich für diese Leseprobe. Weitere Fragen und MoonHee Fischers Antworten darauf werden folgen.

Fotos: Unsplash / Freestocks, Ahtziri Lagarde, Brian Lundquist

Donner & Reuschel

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