Sonnenuntergang mit Wolken

DIE WUNDER DER ERDE

Die folgenden sechs Gedichte und Fotos hat unsere Autorin den Wundern der Erde gewidmet — und den Menschen, die sie entdecken können.

Hier erfahren Sie mehr über

  • Poesie
  • Schöpfung
  • Menschsein

Text Barbara Imgrund

Barbara Imgrund

Barbara Imgrund ist Literaturübersetzerin und Autorin. Wenn sie nicht schreibt, streift sie mit ihrem Hund durch den Wald oder rettet in Namibia wilde Tiere. Die Gedichte sind aus ihrem Lyrikband ReimRaum – Gedichte in dieser Zeit (WaRo-Verlag 2021). www.barbara-imgrund.de

Mutter Erde

In dich habe ich tief meine Wurzeln geschlagen,
du bist mein Urgrund, ich komme aus dir.
Dein blauer Schoß wird mich immer tragen,
diese Nabelschnur reißt nicht, untrennbar sind wir.

Und trete ich mit Füßen deinen fruchtbaren Bauch,
so erinnern mich deine Gewalten daran:
Den Schmerz, den du spüren musst, spüre ich auch.
Und was ich dir tue, habe ich mir selbst getan.

Ozeans Wiegenlied

Komm, komm, Kind, in meinen blauen Schoß.
Ich bin die Welle, die sanft dich wiegt,
bin tief das Schwarz unter deinem Floß.
Ich bin die See, die niemand besiegt.

Sonnenuntergang am Meer

Dein Größenwahn ist zu klein für mich.
Ich schicke Flaute, Sturm, Ebbe und Flut,
ganz wie du willst. Entscheide dich …
Nun aber schlaf. Und wecke nie meine Wut.

Menetekel

Ich bin das Alles. Ich bin das Nichts.
Ich bin der Geist, der in dir brennt,
der Ursprung deines Lebens und Lichts.
Ich bin, was keinen Namen kennt.

Mich rief kein Anfang an einen Ort,
mich fesselt kein Ende an eine Zeit,
und du bannst mich niemals in ein Wort
wie Schöpfung, Gott oder Ewigkeit.

Du bist nur Laune, Zufall, ein Spiel,
und deine Spur bleibt vergänglich und klein.
Was aus dir wird, gilt mir nicht viel.
Ich allein war. Bin. Und werde stets sein.

Die Wüste

Ich weiß einen Ort voller Leben und Tod,
irgendwo zwischen gestern und morgen.
Ich bin nur ein Gast, dem er schmeichelt und droht,
bin ein Niemand und dennoch geborgen.

Aus Wundern gemacht und unfassbar groß,
soll er mich Sandkornsein lehren.
Er packt und hält mich und lässt nicht mehr los,
und ich höre auf, mich zu wehren.

Sandsturm in der Wüste

Solange die Wüste mich dulden will,
lasse ich mich treiben und tragen,
gebe ich mich hin, schweige ich still,
wo alle Worte versagen.

Der Gepard

Ich bin ein Geist. Gelb, gefleckt suche ich dich.
Ich bin der Wind, der durchs Buschgras streicht,
bin ein Traum, der nachts um dein Feuer schleicht.
Und ein mächtiger Wille erdachte mich.

Ich bin ein Raunen aus alter Zeit.
Hörst du nicht, wie ich vom Stirb und Werde
erzähle und singe vom Klagen der Erde?
Ich bin es, der tief in dir lautlos schreit.

  • Gepard in der Savanne
  • Gepard auf der Lauer

Dies ist mein Land. Ich war vor dir hier.
Dies ist dein Land. Ich schenke es dir
unter schwarzen Tränen. Es ist dein Erbe.

Du lebst mit mir, und du stirbst, wenn ich sterbe.
Hüte es, hege es. Für mich und für dich.
Und dann sei wild, stark und frei. Wie ich.

Der Baum

Aufrecht, zum Licht,
reckt er sich,
streckt er sich,
bricht aber nicht.

Standhaft im Wind,
so weise
und leise,
wie nur Große es sind.

Was für ein Traum,
wäre der Mensch
weniger Mensch
und mehr Baum.

Fotos: Barbara Imgrund

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