Steinscout

DIE NEUE STEIN-ZEIT

Was verbirgt sich hinter Louise Blue, Verde Guatemala, Fusion Wow oder Nero Assoluto? Top-Steine, die zu Marken wurden und als extrem nachhaltige Unikate ihren Siegeszug in die schönsten Küchen, Wellnesstempel oder Privatjets angetreten haben.

Hier erfahren Sie mehr über

  • Natursteine
  • Stein-Scout Ivo Siviero
  • Re-Stoning

Text Gerd Giesler

Gerd Giesler

Gerd Giesler ist Kommunikationsprofi und Inhaber der Agentur Journal International The Home of Content sowie leidenschaftlicher Reporter und Autor, z.B. monatlich für PURPOSE.

Mit seiner tiefschwarzen Farbe zählt Nero Assoluto zweifelsfrei zu den elegantesten Hartgesteinen. Sein unverwechselbarer Charakter zusammen mit der glatten, sehr robusten Oberfläche machen den Naturstein zu einem wahren Hingucker im luxuriösen Wohnambiente.
Wer es gerne furioser liebt, der greift zu Fusion Wow, einem Granit, der wie die Drohnenaufnahme von überschwemmten Reisfeldern wirkt.
Oder eben Verde Guatemala. Das ist ein irrer Stein aus dem indischen Rajasthan, sieht aus wie flaschengrüne Kritzelei, hingepinselt von einem virtuosen Expressionisten.

NATURSTEINE: EINDRUCKSVOLL GEFORMT VON HITZE, DRUCK UND ZEIT

Stein ist Faszination und Leidenschaft. Von der Natur, unter Einwirkung von Druck und hohen Temperaturen über Jahrmillionen geformt, erzählt jeder Naturstein seine eigene Geschichte. Die Petrographie kennt nach dem Entstehungsprinzip vier Gesteinsgruppen: Tiefengestein, wie Granit und Syenit, Ergussgesteine, wie Basalt, Sedimentstein und metamorphes, relativ weiches Gestein wie Marmor.

Makroskopisch gut erkennbare Kristalle im Granit stammen vom Eindringen und Erstarren von flüssigem Magma unter der Erdkruste.

Versteinerungen im Kalkstein zeugen von längst ausgestorbenen Tieren und die Schichten im Sandstein von Ablagerungen und Sedimenten in den Urmeeren. Seit der Mensch denken kann formt er Stein. Erst zur Axt, später zur Cheops-Pyramide oder zum Obelisken vor dem Kapitol in Washington. Ganze 90.000 Tonnen Marmor und 36.000 Tonnen Granit aus den Appalachen verleihen diesem Monument seit 1884 Stabilität.

Steinscouts und Natursteine

VON BERUF STEIN-SCOUT

Der Südtiroler Ivo Siviero hat einen ungewöhnlichen Job. Seit 30 Jahren ist er im Natursteingeschäft unterwegs. Gerade eben auf der Brenner-Autobahn mit dem Ziel St. Martin in Österreich. Dort, im beschaulichen Mühlkreis, sitzt sein Haupt-Auftraggeber Strasser Steine, der Spezialist für Küchen-Arbeitsplatten und Grabsteine.
Siviero ist Stein-Scout. Er sucht weltweit nach immer neuen Steinen für einen wachsenden Markt und hat dafür ein besonderes Gespür entwickelt:
„Ich sehe dem Stein an, welche Probleme er hat, woran er krankt, ob er Risse hat oder seine Farbschwankungen so stark sind, dass eine Bemusterung schwierig wird.“

DIE DIAMANT-SÄGE SCHNEIDET GRANIT WIE BUTTER

20 Autominuten hinter Matrei in Osttirol unterhalb des Großvenedigers liegt Hinterbichl. Das Dorf ist vor allem Wanderern ein Begriff, die von hier zur Sajat-Hütte oder anderen Zielen im Nationalpark Hohe Tauern aufsteigen wollen. Genau dort betreibt die Firma Lauster aus Stuttgart einen Steinbruch.
Der feinschuppige, farbechte Chloridgneis namens Dorfergrün war früher eher ein Mauerblümchen unter den Gebrauchssteinen. Bis vor ein paar Jahren wurde er für Fassaden und Bahnhofsfußböden verwendet, weil ihn im Interior-Bereich keiner haben wollte. Bis Ivo Siviero für Strasser anklopfte. Der Betriebsleiter hatte zum Besichtigungstermin einige Blöcke aus dem Berg schneiden lassen. Mit der Multiwire-Seilsäge, die mit Kunstdiamanten besetzt ist, gelingen Schnitte von zwei Meter Tiefe mühelos und vor allem rillenfrei.

Die Küchenproduktion benötigt großformatige Rohplatten für Arbeitsflächen und Kochinseln. Mit dem Hochdruckschlauch wurden die drei Meter langen, zwei Meter hohen und 1.80 Meter breiten Blöcke, von denen jeder 24 Tonnen wiegt, vom Staub befreit und die Schnittflächen für den Stein-Scout blankgeputzt.

„Über dem Steinblock lag ein sonderbarer Zauber“, erzählt Siviero. Es war quasi Liebe auf den ersten Blick. „Wir waren uns ziemlich sicher, dass wir fündig geworden waren.“ Und das auch noch mit einem Naturstein im eigenen Land. Strasser sicherte sich die Exklusivrechte an den großen Steinblöcken von Dorfergrün. Unter dem Produktnamen „Alpengrün“ entfaltet der total verkannte Stein aus Matrei heute seinen natürlichen Zauber in der modernen Küche zwischen Wien und Sylt und wurde seitdem zum Verkaufsschlager im Strasser Alpenwelt Sortiment.

Stein-Scout Ivo Siviero
Stein-Scout Ivo Siviero

„ALPENGRÜN“ WIRD TREND

„Da fiel uns natürlich ein Stein vom Herzen“, schmunzelt Siviero, denn Grün war zu diesem Zeitpunkt im Küchen-Bereich überhaupt nicht gefragt. „Ein bisschen“, so hat er herausgefunden, „richten sich die Farbtrends auch nach den Autofarben. Erst war es Weiß, dann Schwarz und jetzt sind alle Braun-Nuancen bis hin zu Grün und Blau in Mode.“
Überhaupt weiß der Steinscout sehr genau wie die Käufer ticken: „Der Kunde will ein Unikat haben. Es soll vor allem seinen Vorstellungen entsprechen und nicht zu sehr vom Muster abweichen. Adern, Einschlüsse, Kristalle, all das kann schnell zum Stolperstein werden und plötzlich gefällt das auserwählte Produkt nicht mehr.“

Küche mit Naturstein

Alpinova Kücheninsel

Arbeitsplatte aus Naturstein

Naturstein Alpengrün Leather Look

Naturstein Verkleidung

ST-ONE Moraine Leather Look

Spüle, ST-ONE Moraine Leather Look

ST-ONE Unit L 284, Antarctic poliert

DER MARKT SUCHT STÄNDIG NEUE STEINE

Daher ist seine Mission so wichtig. Und einen wie ihn, der zwischen Steinbruch und Kunde vermittelt, der für gleichbleibende Qualität sorgt – und das noch nach Jahren, wenn der Kunde aus der gleichen Quelle nachbestellen will.

Die meisten Menschen verbinden mit dem Beruf Stein-Scout allerdings zu romantische Vorstellungen. Siviero ist weder ein Stein-Flüsterer noch ein Indiana Jones, der abenteuerliche Expeditionen in den Dschungel oder entlegene Bergregionen unternimmt. Die meiste Zeit verbringt er damit sein Netzwerk zu erweitern, Kontakte zu pflegen, zu internationalen Messen zu reisen, Anbieter persönlich zu treffen, bis dann mal einer sagt „Ich habe da was für dich“ und mit heißen Infos zu einem neuen Steinbruch herausrückt.

Aber erst vor Ort kann der Stein-Scout den angebotenen Stein wirklich begutachten, die Lizenzen prüfen und abschätzen ob das Produkt auf dem Markt eine Chance hat und dann auch über 3 bis 5 Jahre zu haben sein wird.

Das sind die in Stein gemeißelten Bedingungen bei Strasser. Denn Johannes Artmayr, der Geschäftsführer von Strasser Steine, war es leid geworden, seinen Kunden in einigen Fällen schon nach Monaten sagen zu müssen: „Das Produkt ist leider nicht mehr lieferbar“.

IVO SIVIEROS GESPÜR FÜR STEIN

In Südafrika entdeckte Siviero den „Manhattan Grey“, einen anthrazitfarbenen Granit. Im Wallis ging er dem grau-grün schimmernden Gletscherbach auf den Grund und „Infinity Brown“ in Brasilien war ein Glücksgriff, über den Ivo Siviero heute noch schmunzelt. „Den wunderschönen, braunstrukturierten Stein hat ein brasilianischer Geschäftsmann jahrelang als Schutt beiseite räumen lassen. Der wollte mit dem schwarzen Quarzit dahinter steinreich werden. Ich habe ein paar Proben des Abfallgesteins mitgenommen und siehe da, das Braun kam in Europa extrem gut an.“

Mit 50 wollte Siviero sich neu erfinden. Er hatte genug vom Angestelltendasein, wollte sein Wissen rund um den Stein der Branche als Beratungsleistung zur Verfügung stellen.

Johannes Artmayr, Geschäftsführer von Strasser
Johannes Artmayr, Geschäftsführer von Strasser

STRASSER MACHT AUS STEINPLATTEN KULTOBJEKTE

Seitdem hat er bei Johannes Artmayr, einen Stein im Brett. Artmayr schätzt, dass sich in den nächsten 5 bis 6 Jahren die Naturstein-Produktion für Küchenarbeitsplatten verdoppeln wird. Strasser beliefert als Innovationsführer den Fachhandel in Österreich und Deutschland. Artmayrs Ziel ist es seinen Handelspartnern, wie beispielsweise den musterhaus küchen, Steine in ungeahnter Qualität und Einsatzmöglichkeit zu bieten.
Da jeder Stein ein Unikat ist liefert Strasser die Stories zum Mythos Stein gleich mit, um den Kunden eine perfekte Customer Experience zu bieten. Und welcher andere Naturstein-Verarbeiter leistet sich schon einen Stein-Scout, um an die kostbarsten Steine dieser Welt zu kommen?

RE-STONING MIT ALPINOVA

Den Stein des Weisen haben sie bislang noch nicht gefunden, der erfolgreiche Unternehmer Artmayr und sein Scout Siviero. Aber sie hatten eine geniale Idee. Warum sollte man aus den Abschnitten und Resten, die bei der Produktion anfallen, nicht ein neues Produkt erfinden?

„Alpinova“ heißt die Strassersche Weltneuheit, die den Küchenarbeitsplattenmarkt seit gut einem Jahr aufmischt. „Für uns war es nur logisch, diesen Stein ins Rollen zu bringen“, berichtet Artmayr. „Immer mehr Kunden interessieren sich für den CO2-Abdruck ihrer Küche, fragen, woher kommt die Arbeitsplatte, wie wurde sie hergestellt, wie kann sie entsorgt werden.“

Der Trend geht heute zu mehr Nachhaltigkeit und Wiederverwertung. „Alpinova“ ist der erste wiederverwertete, ja sogar up-gecycelte Stein. Er besteht zu 40 % aus zerkleinertem Naturstein, 50% Recyclingmaterial und 10% Bindemittel. Dieser Mix wird dann bei 85 Grad in Form gepresst. Alpinova gibt es in diversen Farben, mit glatter Oberfläche oder im Leather Look. Der Energiebedarf ist gering im Vergleich zu Keramikarbeitsplatten, die bei 1.250 Grad über viele Stunden gebrannt werden müssen. Zudem eignet sich das recycelte Material unglaublich gut für Fronten und ganze Küchenblöcke und ist wesentlich günstiger als herkömmlicher Naturstein.

Artmayr strahlt: „In kürzester Zeit haben wir 2000 Kommissionen von Alpinova verkauft. Das entspricht in etwa 30 Steinblöcken, die wir nicht aus Indien oder Brasilien heranschaffen mussten.“ Re-Stoning, so das Zauberwort, schont die natürlichen Ressourcen.

Ivo Siviero ist schon wieder unterwegs. Diesmal in den Schwarzwald zu einem Kunden, der Naturstein in ganz anderen Dimensionen für den High-End Interior-Bereich verarbeitet. Durch modernste Dünnstein-Technik werden Natursteine elastisch und können im Millimeterbereich auch dort eingesetzt werden, wo viel Bewegung im Spiel ist. Die Rede ist von Yachten und Schiffen, aber auch von Limousinen und Privatjets.
Auch hier ist Sivieros Fachwissen gefragt. Denn im Luxusbereich wird Naturstein nicht nur wegen seiner Nachhaltigkeit zum Objekt der Begierde. Wow-Effekte zu kreieren mit etwas, was kein anderer hat, das macht letztlich den exklusiven Reiz von Naturstein aus.

Fotos: Ivo Siviero, Strasser Steine, Unsplash / Anderson Aguirre, James Wainscoat

 

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